Elterngeld für Väter – Eine Frage der Gleichberechtigung
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Montag 14. Mai 2018
Die skandinavischen Länder sind stolz auf ihre Gleichstellungs- und Familienpolitik. Ob Kindergeld, Elternurlaub, steuerfinanzierte Krippenplätze oder Tagesschulen – in Skandinavien gehörte man entweder zu den Ersten, zahlt die großzügigsten Beiträge oder hat das umfassendste System, wie die Länder gerne hervorheben.
Doch alles steht nicht zum Besten in den Gleichstellungsparadiesen. Die Überwachungsbehörde der EFTA klagt Norwegen vor dem EFTA-Gerichtshof ein – wegen der Diskriminierung von Vätern. Das Land gewährt zwar einen individuellen Anspruch auf zehn Wochen bezahlten Elternurlaub wie auch ein gemeinsames Recht auf 26 weitere bezahlte Wochen, über die die Paare selbst verfügen können.
In der Realität erhalten Väter, die sich um ihren Nachwuchs kümmern, aber nur Lohnersatz, wenn ihre Frauen gleichzeitig arbeiten oder studieren. Für Mütter gibt es keine entsprechende Einschränkung – sie erhalten Elterngeld, egal, was ihr Partner tut. Dass Norwegen Frauen mehr Rechte auf Elterngeld gewährt als Männern, verstößt laut der EFTA-Überwachungsbehörde gegen die Gleichstellungsdirektive des Europäischen Wirtschaftsraums.
Die Behörde nahm das Land schon Ende 2015 ins Visier, fand bei der bürgerlichen Regierung aber wenig Gehör. Diese meint, die Gleichstellungsdirektive habe in dieser Frage keine Gültigkeit und falls sie es doch tue, so sei die norwegische Praxis als «positive Diskriminierung» zu werten, welche die Gleichstellung der Frauen auf dem Arbeitsmarkt stärke. Zudem entscheide nicht Brüssel, sondern Oslo, unter welchen Bedingungen man das großzügige Elterngeld auszahle.
Nach Schätzung des Gleichstellungsministeriums wird jährlich 6000 Männern das Elterngeld verweigert. Erhielten sie dieselben Rechte wie die Mütter, würde das Elterngeld um 0,8 auf insgesamt 21,8 Milliarden Kronen (rund 2,28 Mrd. Euro) pro Jahr steigen. Verliert Norwegen vor dem EFTA-Gerichtshof – und davon sind viele Experten überzeugt –, muss der Staat mit Schadenersatzforderungen rechnen. 2017 reichten 60 Väter wegen des verweigerten Elterngeldes Klage ein.